Samstag, 26. November 2011

Advent

Allen Lesern und ihren Lieben wünsche ich einen schönen ersten Advent und ein gnadenvolles, neues Kirchenjahr. Der christliche Glaube umfasst Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichermaßen. Früher dachte ich immer, Advent bedeute ausschließlich die Ankunft des Herrn bei seiner Menschwerdung, aber Advent hat ja noch einen weiteren Sinn, nämlich die Parusie, die Wiederkunft Christi. Wie mag man sie sich vorstellen?

"Ich sah in den nächtlichen Visionen: Da kam mit den Wolken des Himmels eine Gestalt wie ein Menschensohn; er gelangte bis zu dem Hochbetagten und wurde vor ihn hingeführt. Ihm wurde Macht, Herrlichkeit und Königsherrschaft verliehen. Alle Völker, Nationen und Sprachen dienten ihm. Seine Herrschaft ist eine ewige, unvergängliche Herrschaft. Sein Königtum geht niemals unter." Dan.7,13 - 14

Für die Urgemeinde war diese Vision aus dem Buch Daniel ein Bild sowohl für die Auferstehung, wie für die Wiederkunft Christi. Möge das neue Kirchenjahr uns allen eine vertiefte Einsicht in die Geheimnisse des Glaubens gewähren. 

Politik und Religion

Wieviel Politik verträgt eine Religion? Ich stelle mal die Hypothese auf, dass sich Religion als ein System von Glaubenssätzen, kanonischen Schriften, rituellen Handlungen und ethischen Normen nicht sehr gut mit Politik verträgt. Daher halte ich die Trennung von Kirche und Staat für sinnvoll. Wenn ich schreibe, dass sich Politik und Religion nicht gut miteinander vertragen, meine ich natürlich nicht, dass man als religiöser Mensch unpolitisch sein soll - das nun gerade nicht. Man kann ja aus einer religiösen Überzeugung heraus bestimmte politische Grundhaltungen und Ziele formulieren, auch wenn das heutzutage mit Argwohn betrachtet wird, dem aufgeklärten Zeitgenossen ist es lieber, wenn man sein moralisches Koordinatensystem aus der Aufklärung bezieht, ganz so, als wäre sie beziehungslos in einem historischen Vakuum entstanden. Das Problem scheint mir eher darin zu bestehen, dass Politik die Kunst des Machbaren ist, (habe ich mal irgendwo gelesen) und somit immer auf einen Konsens abzielt, der möglichst viele mit ins Boot holt. Das wiederum beinhaltet aber auch, dass man Abstriche an der eigenen Position hinnehmen muss, ja sie manchmal sogar um eines höheren Gutes wegen gänzlich beiseite schieben muss. Das lässt sich ja am Beispiel der CDU/CSU ganz gut erkennen. Demgegenüber sind Glaubensfragen nicht verhandelbar. Beurteilt man die katholische Kirche in Deutschland aber nach politischen Kategorien, wird das Volk Gottes schnell eingeteilt in progressiv und konservativ, b.z.w. links und rechts. Ganz vereinfacht ausgedrückt sind die Progressiven die Guten, und die Konservativen die Doofen aus dem Gottesvolk. Wer allerdings religiöse Überzeugungen so beurteilt, fischt im Trüben, denn er bringt eine Kategorie mit ins Spiel, die am Wesentlichen der Kirche vorbeigeht. Das Problem besteht meines Erachtens darin, dass man nicht so sehr aus religiösen Überzeugungen heraus politische Ziele formuliert, die in den gesellschaftlichen Diskurs eingebracht werden, sondern, dass die Kirche von ihren Mitgliedern selbst zum Gegenstand für politisch motivierte Veränderungen gemacht wird. Das aber bedeutet, dass jene Kirche, die von ihrem Selbstverständnis her ein Werkzeug des Heils ist, damit die ihr Zugehörigen dann die Welt heiligen können, im Prinzip nach weltlichen Maßstäben verändert werden soll. Das wäre dann die vielzitierte Selbstsäkularisierung der Kirche, die mir großes Unbehagen bereitet. Die Kirche ist ein spiritueller Raum und nicht ein Ort für gesellschaftliche Emanzipation. Aber genau das können viele Katholiken heute nicht mehr akzeptieren, weil die Kirche mit ihrer ganzen Überlieferung für sie in unerträglicher Spannung zur heutigen, demokratisch verfassten Gesellschaft steht. Dennoch ist sie kein „sozialer Verein“, den sich Menschen so ausgedacht haben, auch keine Partei, die man in Realos und Fundis aufteilen kann. Wenn hier etwas verändert werden soll, dann nur im Einklang mit der gesamten Tradition, und nicht im Widerspruch zu ihr. Das moralische Koordinatensystem zur Bestimmung dessen, was Fortschritt bedeutet, muss immer Jesus Christus sein, und nicht zeitbedingte Vorstellungen oder allzu Menschliches.
Interessant wird es, wenn der Wunsch nach Veränderungen in der Kirche theologisch begründet wird, z.B. die Abschaffung oder weitestgehende Einebnung der hierarchischen Verfasstheit des Gottesvolkes unter Berufung auf den sog. „Geist des Konzils“ oder auf das Urchristentum, in welchem es angeblich keine Hierarchien gab. Für letzteres habe ich Verständnis, auch wenn die Behauptung unzutreffend ist. Es ist der Wunsch nach einer neuen Einfachheit, der Wunsch zurück in ein gutes „Früher“ , in dem alles besser und reiner war, weil man damals "natürlich" die reine Lehre gelebt hat, und näher am „Ursprung“ war. Wunschdenken. Der Baum hat keine äußerliche Ähnlichkeit mit dem Samenkorn, aus dem er erwachsen ist. Aber der Baum enthält alles was an Anlagen bereits im Samenkorn grundgelegt wurde. Die Kirche, die sich im Laufe der Jahrhunderte entfaltet hat, unter dem Beistand des ihr von Jesus versprochenen heiligen Geistes, hat sich zu ihrer heutigen Gestalt entwickelt. Es ist wichtig, dass sie dem säkularen Anpassungsdruck widersteht, sonst haben zukünftige Generationen keine Chance mehr sie in ihrer in Jahrhunderten gewachsenen Gestalt und Verkündigung kennenzulernen. Eine Umwandlung der Kirche in eine parlamentarischen Demokratie ist mit ihrer Sendung nicht zu vereinbaren, die Vorstellung, wir heute lebenden Menschen wüssten am besten wie die Kirche auszusehen hat, ist anmaßend. Die Orientierung an einer kirchlichen Autorität bewahrt uns vor dem Absinken in die Mittelmäßigkeit, und Gehorsam hat eine tiefe spirituelle Dimension, die mit Katzbuckelei und Kadavergehorsam nichts zu tun hat. Die politische „Aufladung“ innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland hat keine guten Früchte hervorgebracht. Wenn ich mir die Forderungen durchlese, die von reformorientierten Katholiken vorgebracht werden, kann ich bei einigen Forderungen einfach nur mit dem Kopf schütteln, denn es ist zu einem großen Teil eine Agenda, die dem profanen Alltag des gesellschaftlichen Lebens entnommen wurde. Keine Spur zum Thema Glaubensverlust in der Gesellschaft, sondern eher Flucht in einen seltsamen Reformaktivismus, der die Kirchenbänke wieder füllen soll aber nicht wird. Katholische Tradition steht unter Generalverdacht, wer die lateinische Liturgiesprache schätzt, oder - Gott behüte! - die Messe im außerordentlichen Ritus zu würdigen weiss, macht sich Verdächtig. Statt alte Liturgie - und Gebetsschätze wieder neu zu beleben, und sich aktiv mit den auch philosophischen Grundlagen des katholischen Glaubens vertraut zu machen, wird gefordert, das der Mensch mehr in den Mittelpunkt gerückt werden soll. Der Mensch? Nicht Christus??
Wo ist der Sinn für die Tradition, für das immer Wahre, Gute und Schöne? Am schlimmsten aber finde ich es, dass man schnell in eine rechtskonservative Ecke geschoben wird wenn man sich als romtreuer, und mit der Lehre der Kirche übereinstimmender Katholik "outet" - denn das wird gemeinhin nicht sehr geschätzt. Die Tatsache, dass innerhalb der katholischen Basis eine bestimmte Einstellung vorherrschend ist, und Abweichungen davon als konservativ oder gar reaktionär gebrandmarkt werden, kann schnell zu einer Radikalisierung führen, wie man anhand der Piusbruderschaft sehen konnte. Lässt man diesen Menschen mit ihren zum Teil auch berechtigten Anliegen keinen Raum mehr in der Kirche, kapseln sie sich immer mehr ein. So eine Entwicklung kann und darf uns nicht gleichgültig sein.

Freitag, 25. November 2011

Was ich noch sagen wollte...

Durch Zufall bin ich auf die Kontroverse gestoßen, die das papstkritische Lied "Mensch Benedikt" von Clemens Bittlinger in der Blogoszene ausgelöst hat. Ich habe mir den Text durchgelesen und kann nur sagen: So what? Das Lied ist plakativ und tendentiös, dem geneigten Hörer bietet es die üblichen Papstvorurteile im handlichen Songwriterformat. Es bietet vier zeitgeistkompatible und leichtverdauliche Standpunkte an, die dem Bedürfnis nach schneller Orientierung entgegenkommen. So weit - so schlecht, aber offen gesagt fällt es mir schwer die Empörung, die viele Leute über dieses Lied empfinden, nachzuvollziehen. Mir scheint, dass gibt der Anlass nicht her. Pfarrer Billinger ist eben ein typischer Repräsentant eines gefälligen Christentums, das möglichst niedrigschwellig daher kommen möchte, und in unserem nonkonformistischen Papst ein ideales Kritikobjekt hat, um sich zu profilieren. Ich habe, ehrlich gesagt, schon schlimmeres oder absurderes über unseren Papst gehört, wie wäre es damit: Eine junge Praktikantin, die für einige Wochen bei mir auf Station gearbeitet hat erzählte mir, dass sie niemals katholisch werden würde. Ich fragte sie weshalb, und ihre Antwort lautete: Weil in der katholischen Kirche zum Papst gebetet wird"... Das ist krass!!!

Montag, 21. November 2011

Liebeserklärung

Kürzlich kam ein Buch heraus mit dem Titel: "Liebeserklärung an die Kirche"
Hier ist meine:
Hurra ich bin Katholisch! Ja Sie haben richtig gehört, es ist schön katholisch zu sein, dieser von Christus selbst gestifteten Kirche anzugehören. Mir wird ganz schwindelig vor Glück wenn ich daran denke, welche Gnade der dreieinige Gott mir damit erwiesen hat. Womit habe ich das eigentlich verdient? Natürlich habe ich es nicht verdient, es ist unverdiente und ungeschuldete Gnade. Ich habe mich in diese Kirche verliebt, die die Verfolgungen in den ersten Jahrhunderten ihres Bestehens überstanden hat, in deren Reihe Heilige und Sünder einen Platz haben, die die ersten Universitäten gegründet hat, deren Mönche die Weisheiten der Antike aufbewahrt haben, und nach Kräften mithalfen, unwirtliche Landstriche urbar zu machen. Ja, viel von dem was für uns Heutige selbstverständlich erscheint, ist auf dem Boden der vielgeschmähten Kirche erwachsen, und schon allein dafür gebührt ihr Dankbarkeit. Ich bin voller Bewunderung dafür, dass diese Kirche allen Anfechtungen zum trotz auch heute noch Bestand hat, für mich fast schon ein Gottesbeweis, hat doch Jesus Christus deutlich gemacht, dass die Pforten der Hölle diese Kirche niemals überwinden werden, solange sie im Zeichen des Petrus vereint ist. Diese Kirche ist voller Weisheit, sie allein hat eine realistische Einschätzung von dem, was der Mensch ist. Sie allein vermag die Höhen und Tiefen dessen, wozu der Mensch fähig ist, zu ermessen - Heilige und Sünder, und das Sakrament der Versöhnung. Die Heiligen waren und sind nicht deshalb heilig, weil sie frei von Sünden waren oder sind, sondern weil sie trotz ihrer geschwächten Natur in besonderer Weise die Nachfolge Christi vorgelebt haben, weil durch ihr Wirken die Gnade Gottes in besonderer Weise zum Ausdruck kam. Wenn wir uns nicht über unsere Natur erheben, können auch wir der göttlichen Gnade teilhaftig werden, im Großen wie im Kleinen, denn wir alle sind, wie der Papst gesagt hat, zur Heiligkeit berufen. Gibt es etwas in dieser Welt, dass eine noch höhere Meinung vom Menschen hat als die katholische Kirche? Wenn ich mich heute betrachte kann ich sagen, dass ich ein schwacher und sündiger Mensch bin, der seine Abgründigkeiten hat und oft genug das Gute meidet und das Schlechte tut. Diese Selbsteinschätzung im Lichte des Glaubens der Kirche ist aber keineswegs Ausdruck von Selbstverachtung - oder gar Selbsthass, denn ich habe mich lieb und weiss mich als ein von Gott gewolltes und geliebtes Wesen. In den Untiefen meines gefallenen Menschseins begegnet mir Jesus Christus, der menschgewordene Gott, der die Erniedrigung des Menschseins auf sich nahm und uns bis zu seinem Kreuzestod geliebt hat - so sehr, dass er im Zeichen dieser Liebe den Tod überwand und nach drei Tagen auferstanden ist. Christus - gestorben für unsere Sünden. "Wo die Sünde groß geworden ist, wurde die Gnade übergroß", so heißt es im Römerbrief - für mich wie ein frohes Erwachen aus einem schlechten Traum.
Aber ich schweife ab, ich wollte doch eine Liebeserklärung an meine Kirche schreiben, aber mir wird klar, dass ich zum Wesentlichen abschweife, wenn ich mit eigenen Worten wiedergebe, was Generationen von Theologen sorgfältig und theologisch verantwortbar ausformuliert haben, nämlich das Zentrale Mysterium des christlichen Glaubens: Tod und Auferstehung Christi. Ich bin meiner Kirche dankbar dafür, dass sie durch die Jahrtausende hinweg für diesen Glauben gestritten hat und damit ihrer Sendung treu geblieben ist. Wäre sie untreu gewesen und z.B. dem Arianismus verfallen oder den Vielen anderen Häresien, wäre ich heute nicht imstande den authentischen Glauben der Kirche kennenzulernen.
Ich bin auch dankbar dafür, dass in der Kirche die ganze Fülle dessen bewahrt wurde, was die christliche Glaubenstradition ausmacht. Nie habe ich mich von ihren Dogmen eingeengt gefühlt, nie von lehramtlichen Verlautbarungen bevormundet. Diese Kirche stellt meine Art zu Leben infrage, und ist häufig ein offener Widerspruch, an dem ich mich abarbeiten muss. Sie stellt für mich ein wichtiges Korrektiv dar, an dem ich Wachsen kann und möchte. Auch wenn es mir oft schwerfällt: Ich zeige nicht mit dem Finger auf die Kirche der ich angehöre, mit der Forderung, sie möge ihre Ansichten bitte der heutigen Zeit anpassen, damit ich weniger stark im Gegensatz zu dem lebe, was ihr als das Richtige erscheint. Das wäre nicht aufrichtig.
Mutter Theresa hatte schon recht, als sie die Frage was sich in der Kirche ändern müsse, so beantwortete: "Sie und Ich".





Samstag, 19. November 2011

Aus der Rede des Papstes im deutschen Bundestag

"Es gibt auch eine Ökologie des Menschen. Auch der Mensch hat eine Natur, die er achten muss und die er nicht beliebig manipulieren kann. Der Mensch ist nicht nur sich selbst machende Freiheit. Der Mensch macht sich nicht selbst. Er ist Geist und Wille, aber er ist auch Natur, und sein Wille ist dann recht, wenn er auf die Natur hört, sie achtet und sich annimmt als der, der er ist und der sich nicht selbst gemacht hat. Gerade so und nur so vollzieht sich wahre menschliche Freiheit."

In diesem Sinne könnte man das Christentum vielleicht auch als eine etwas andere ökologische Bewegung betrachten, nämlich eine die versucht, auch die Ökologie der menschlichen Natur wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Wer von der Wahrung der Schöpfung spricht meint die gesamte Umwelt, aber nicht sich selbst, weil man ja das handelnde Subjekt ist, dass beginnt seine Umwelt zu schützen, wenn vielleicht auch nur, um den Fortbestand der menschlichen Spezies zu sichern. Umwelt erscheint immer als etwas außerhalb von uns stehendes, in das wir nicht mehr eingebettet sind, etwas von dem wir uns emanzipiert haben. Der Papst erinnert daran, dass wir Teil der Schöpfung sind, und dass die Verwüstung der Schöpfung nicht vor der Natur des Menschen, der ja Teil der Schöpfung ist, haltgemacht hat.
Zur Natur des Menschen gehört als homo religiosus auch der Glaube an Gott, weil hier im Gottesbezug die wahre Würde des Menschen begründet liegt, die heilige Schrift spricht von der Gottesebenbildlichkeit.
Aber was ist für uns gewonnen, wenn der Gottesbezug mehr und mehr verloren geht? Es ist für den Fortbestand der Menschheit  ebenso wichtig, sich um die Ökologie der eigenen Natur zu sorgen, wie um die Gesamtökologie unseres Heimatplaneten. Hier hat unser Papst wieder einmal die katholische Weite des Denkens demonstriert. Bravo!


Dienstag, 15. November 2011

Sinnfragen


"Religion bedeutet, sich leidenschaftlich die Frage nach dem Sinn des Lebens zu stellen" So lautete sinngemäß eine von mehreren Definitionen des Begriffes Religion, die im Rahmen eines Kurzseminars mit dem Thema "Religiöser Wahn" in der psychiatrischen Klinik in der ich arbeite, vorgestellt wurden. Daran nahm ein Teilnehmer, der sich dabei ausdrücklich als Atheist bezeichnete, Anstoß. Er kritisierte, dass die Formulierung polarisierend sei, da sie implizieren würde, dass ein areligiöser Mensch sich nicht leidenschaftlich mit dem Sinn des Lebens auseinandersetzen könne. Ich glaube der Teilnehmer wollte klarstellen, dass die Frage nach dem Sinn des Lebens auch aus areligiöser Perspektive gestellt werden kann und fühlte sich gewissermaßen in seinem Anliegen religiös vereinnahmt. Ich konnte seine Kritik verstehen, auch wenn ich sie nicht teilte. Selbstverständlich kann sich auch ein areligiöser Mensch leidenschaftlich die Frage nach dem Sinn des Lebens stellen, die obige Definition, die übrigens recht dürftig ist, schließt eine solche Möglichkeit auch gar nicht aus, sondern sie drückt etwas aus, was zum Wesen aller Religionen  gehört, nämlich die Sinnfrage. Jedes tiefere Fragen nach dem Sinn berührt früher oder später zwangsläufig einen religiösen Horizont. Wer sich als Atheist die Frage nach dem Sinn des Ganzen stellt, ohne dabei die "Hypothese Gott" ernsthaft zu berücksichtigen, stellt dennoch eine religiöse Frage. Die Frage nach dem Sinn führt letztlich über uns selbst hinaus, wenn man sie nur konsequent genug stellt, denn Mensch und Welt erklären sich nicht aus sich selbst heraus, und es ist wohl Ausdruck menschlicher Hybris zu glauben, dass es doch so sein könnte. 
Meines erachtens stellt schon die prosaische Tatsache des Seins an sich ein ungeheures Wunder dar, ein Wunder dass so gewaltig ist, dass man es glatt übersieht, weil es eben so alltäglich und normal zu sein scheint, weil man so gar nicht darüber nachdenken braucht, schließlich geht die Sonne Morgens ja auch ohne unsere Hilfe auf... Wer aber als überzeugter Atheist nicht an Wunder glaubt, kann nur davon ausgehen, dass der Kosmos das Produkt eines kosmisch - komischen Zufalls ist, in dem keinerlei Sinn grundgelegt ist. Das aber bedeutet, dass jede Vorstellung von Sinn letztlich im luftleeren Raum schwebt, unser Leben wäre wie der Gang auf einem Drahtseil, welches über einen Abgrund der Sinnlosigkeit gespannt wäre. Vermutlich folgt daraus, dass die Frage nach dem Sinn des Lebens ohne Gott überhaupt nicht sinnvoll gestellt werden kann, weil Gott natürlich der Sinnbegriff schlechthin ist. Was bleibt dann noch? Bekennende Atheisten sind mir lieber als diejenigen, die sich nicht einmal Gedanken über die Sinnfragen machen. Es gibt viele Atheisten die ernsthafte Fragen an die Wirklichkeit stellen und die gegenüber den Religionen konstruktive Kritik üben, aber sie verzichten auf einen tragfähigen Sinnbegriff, der eine einheitliche Gesamtschau unserer Existenz ermöglicht und den Ursprung des Ganzen, nämlich den dreieinigen Gott, mit einbezieht. Für mich als Katholik ist eine Weltbetrachtung ohne Gott immer bloßes Stückwerk - also fragmentarisch. Wie beantwortet man als Atheist die alte Frage: Was ist der Mensch? Beantwortet man sie biologisch, soziologisch, psychologisch, ethnologisch oder vielleicht politisch? Es wäre naiv zu glauben, dass eine Zusammenschau aller Wissenschaften irgendwann einmal zu einer vollständigen Antwort kommt. Es ist interessant, dass der Mensch vom Affen abstammt, b.z.w mit den Affen zusammen einen gemeinsamen Vorfahren hat, aber beantwortet das die alte Frage nach dem was und wer wir sind?

Samstag, 5. November 2011

Aus meiner Gemeinde II

Am ersten November war das Hochfest Allerheiligen und ich habe die Messe besucht, froh darüber, dass das trotz Schichtarbeit möglich war, und wie so oft habe ich sie nicht frohen Mutes, sondern nachdenklich wieder verlassen. Die Messe fand nicht in der kleinen Filialkirche statt, in der ich vor zweieinhalb Jahren gefirmt wurde und die ich sonst aufsuche um an der heiligen Messe teilzunehmen, sondern in der Hauptkirche meiner Heimatstadtgemeinde, in die ich nur selten gehe. Und das aus gutem Grund. Die liturgischen Eigenmächtigkeiten dort nehmen allmählich überhand, und ich merke wie mich das zunehmend nervt. Das mir viele der neueren Kirchenlieder nicht so gut gefallen, mag Geschmackssache sein, aber das sich jemand die Mühe gemacht hat, überall das Wort "Brüder" mit Kugelschreiber sorgfältig durchzustreichen und durch Geschwister o.ä. zu ersetzen  kann ich nur mit Kopfschütteln zur Kenntnis nehmen. Mittlerweile ist es Normalität geworden, dass Laien zusammen mit dem Priester die Kommunion (Handkommunion versteht sich) austeilen, auch wenn dies nur in Ausnahmefällen gestattet ist. In dieser Kirche belasse ich es bei einer geistigen Kommunion, denn als ich beim letzten Mal eine Mundkommunion empfangen wollte, hat mir der Priester die Hostie so fest auf die Zunge gedrückt, dass ich das als aggressiv empfand. Er hat wohl nicht damit gerechnet, und sein Gesichtsausdruck war alles andere als freundlich, eine Mischung aus Überraschung und Ärger. Es sind auch Laien, die die konsekrierten Hostien aus dem Tabernakel holen, obschon dies wie ich vermute, eigentlich dem Priester vorbehalten sein sollte. Auch die sicher gut gemeinte Geste, dass der Priester die Kommunion erst einmal an die Anwesenden Gläubigen austeilt, um danach zusammen mit den Ministranten in einer Reihe hinter dem Altar stehend selber zu kommunizieren, erfüllt mich mit sanfter Resignation. Was soll das? Das in dieser Kirche beim Vater unser obligatorisch der Embolismus weggelassen wird finde ich ebenfalls unangebracht, handelt es sich dabei doch um eine liturgische Eigenmächtigkeit die nicht erlaubt ist, wie so vieles andere auch. Zum Schluss fiel mir dann noch auf, dass der Priester zum Abschlusslied nicht die Alterstufen herunterging und sich mit den Ministranten dem Altar zuwandte, sondern am Ambo stehenblieb, und mit Blick auf die Anwesenden das Lied mitgesungen hat. Warum? Hat er Angst, dass die Anwesenden Laien es als abwertend empfinden könnten, wenn der Priester ihnen für die Dauer eines ganzen Liedes den Rücken zuwendet?  Kurz bevor das Lied zuende war stieg er dann mit den Ministranten die Altarstufe herunter, verbeugte sich kurz in Richtung Altar und ging in die Sakristei. Noch bevor der letzte Ton verklungen war, begab sich der größte Teil der Gemeinde dann laut miteinander redend nach draußen, fast so als wäre man im Kino gewesen und der Film ist aus. Ein Pastoralreferent, mit dem ich mich vor einem Jahr einmal unterhielt, sagte mir, dass er eine zunehmende Klerikalisierung der Kirche befürchtet, b.z.w. eine Rückkehr der Kirche zu den alten Verhältnissen, die, wie ich dann wohl annehmen sollte schlecht gewesen waren. Dies deckt sich mit den Befürchtungen vieler Katholiken die einer verstärkten Demokratisierung der Kirche das Wort reden. Da ich erst seit ca. zweieinhalb Jahren Glied der Römisch-Katholischen Kirche bin, habe ich viele Entwicklungen der Kirche nicht mitverfolgt, aber ich weiss, dass man den römischen Ritus in der ordentlichen Form durchaus auch angemessen und würdig feiern kann, wenn man sich an die liturgischen Vorgaben hält. Wenn die oben beschriebene Messe das Produkt einer Demokratisierung der Kirche ist, kann ich das nur skeptisch sehen, denn das Gefühl für die Bedeutung der Liturgie geht immer stärker verloren, wenn man sie zu einem Projekt der gesellschaftlichen Emanzipation macht. Der Priester macht dann sowenig wie möglich selbst und gibt lieber demonstrativ zu verstehen, dass er "einer von uns ist", was auch dadurch zum Ausdruck kommt, dass er sich ansonsten bürgerlich kleidet, und so für niemanden mehr als katholischer Geistlicher erkennbar ist. Ich finde das einfach nur traurig.